Die Flügel schlagen aber der Vogel hebt nicht ab oder Gänseflug über den Hartz

Das zweite Weihnachten im Zeichen der großen Koalition steht uns bevor. Das Land steht noch, wir freuen uns auf Sylvester, weil dann die Raketen letztmalig mit nur sechzehn Prozent Mehrwertsteuer belegt sein werden – wenn das kein Knaller ist!

Aber zuerst kommt die Weihnachtszeit. Gerade war in der Berliner Zeitung zu lesen, dass ein Jobcenter gemeinsam mit gemeinnützigen Trägern einen Weihnachtsmarkt für Hartz IV-Empfänger veranstaltet.

Zugang hat nur, wer entweder seine Bescheinung, also sein abgehängtes Prekariats-Diplom dabei hat oder angemessen zerlumpt daherkommt. Bill Gates hätte also gute Chancen, Einlass zu finden.

Eine solche Maßnahme ist uneingeschränkt zu begrüßen. Nur wer ganz wenig hat, kann öffentliche Fürsorge bei gleichzeitiger Ausgestelltheit angemessen würdigen. Wir kennen das ja schon seit Jahren, dass gerade Obdachlose um die Weihnachtszeit gerne genommen werden und dann sogar im Berliner Estrel-Hotel schön essen dürfen. Und das ist gut so, denn auch Promis wollen ab und zu ihr soziales Gewissen beruhigen.

Eigentlich ist die Idee mit dem Weihnachtsmarkt aber noch nicht völlig ausgegoren. Empfehlenswert wären Tribünen, auf denen sich die interessierten Zuschauer bei einem Glas Glühwein oder Prosecco das elende Treiben in Ruhe und mit Genuss anschauen können. Vielleicht könnten die Tribünen nach Jahreseinkommen gestaffelt besetzt werden. Je höher desto reicher!

Es gibt an dieser Front noch viel zu tun. Auch wenn Hartz IV-Empfänger oft nicht für allzu viel zu gebrauchen sein mögen – als Negativbeispiel taugen sie allemal.

Jedenfalls boomt die von sozialen Fesseln zunehmend befreite Wirtschaft und zeigt, wie unabhängig sie in ihrer Entwicklung von der Politik ist.

Jeder Politiker zieht sich den schönen Schuh natürlich gerne an. So auch unsere Bundeskanzlerin, die diese Entwicklung genauso gerne für sich verbucht, wie Gerhard Schröder dies zweifellos bei den Lesetouren für seine von Uwe-Karsten Heye verfassten Memoiren tut.

Der Erfolg hat viele Väter sagt man – in diesem Fall auch einmal eine Mutter und damit endlich eine intakte Kernfamilie!

Das ist aber schon alles, was sich gerade zugunsten von Angela Merkels Situation sagen lässt. Sie hat es allerdings verstanden, den Parteitag der CDU so zu lenken, wie die gesamten Geschicke des Landes: in dem sie die Männer gegeneinander ausgespielt hat. Werden die Jungs es denn nie lernen?

Schon am Wahlabend hatte sie Gerhard Schröders Auftritt, in dem er den Begriff der Elefantenrunde einmal stark versinnbildlicht hat, einfach ausgesessen und ihn sich jever- und adrenalinbeschwingt in seinen politischen Untergang toben lassen.

Jürgen Rüttgers, der Zuhause in NRW alles zumacht, was Türen hat und sich soziale Einrichtung nennt, fordert eine längere Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld, wenn die Leute älter sind oder lange eingezahlt haben. Rüttgers hat gefordert, dass die CDU sozialer werden muss, was logisch ist, da die SPD ja immer asozialer wird.

Die Forderung nach einer sozialen Wende der CDU hat Angela Merkel mit der Begründung abgelehnt, dass sie keinen Kurswechsel möchte. Das ist doch einmal ein eindeutiges Statement!

Jürgen Rüttgers ist mit seiner Forderung nach einer Angleichung der staatlichen Unterstützung an die Arbeitsleistung ein einsamer Rufer in der Wüste. Sie wird bei Politikern und Managern ungehört bleiben, denn genau das sind ja die beiden Berufsgruppen, sie sich händeringend darauf verlassen, dass dies um Gottes Willen niemals geschehen möge.

Da sind sich Angela Merkel und Josef Ackermann einig: Wo kämen sie hin, wenn alle nach ihrer Arbeitsleistung honoriert werden würden?

Mag den Hartz-IV und ALGII –Empfängern die Weihnachtsgans in diesem Jahr nur auf den Prospekten der Kaufhäuser begegnen, haben sie doch wenigstens das gute Gefühl, dass Peter Hartz, der Urheber des „sozialen Prekariats“ demnächst vielleicht in den Knast wandern wird – und das ist immerhin ein Anfang. Hier zeigt sich, dass es trotz aller gegenteiligen Bemühungen doch noch so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit gibt – und das (hoffentlich) nicht nur zur Weihnachtszeit.