Kommentar

Geld is(s)t nicht alles……
Geschichten von der Selbständigenfront, Teil II
von Barbara Friedl-Stocks


Ein aufregendes Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Das ist einer der Sätze, auf die man normalerweise im Journalismus verzichten sollte, weil sie so überflüssig sind wie ein Kropf. Aber egal: ein aufregendes Jahr …
Seit dem 1.4. (kein Aprilscherz) bereichere ich nun die Berliner Selbständigenszene (Definition: selbst und ständig), Agentenszene (007 wie auch Künstleragentin), Kabarettistenszene (Helene M. und Helene Mierscheid) Literatenszene (Der magische Buchladen - vielleicht nächstes Jahr im Buchhandel), Lidl-Käuferszene (notgedrungen), Kneipenszene (hin und wieder) also eine echte Szenegängerin.
Boheme nannte man das früher, meist mit halbneidischem, halbverächtlichem Unterton. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Künstler stehen nachmittags auf, rauchen Joints, trinken Champagner, dann auf die Bühne, rauschender Erfolg, fette Gage, Party, zügelloses Geschlechtsleben.
Das stimmt natürlich. Wir Künstler leugnen das nur hartnäckig, damit nicht zu viele unserem Beispiel folgen. Die Konkurrenz schläft nicht - in der Unterhaltungsbranche kann man das durchaus wörtlich nehmen.
Nachdem ich also Wolfgang Clements Rat gefolgt bin und mich nach zehn Jahren in kuscheliger Sicherheit in MdB-Büros auf den freien Markt geworfen habe, kann ich berichten, dass ich genauso gut hätte nackt inline-skaten können. Die Reaktionsbandbreite wäre in etwa die gleiche: Ungläubiges Staunen, unverhohlenes Entsetzen, lustvoller Grusel.
Über Selbständige redet man: "Ach der, der verdient sich eine goldene Nase, fährt Porsche, betrügt die Steuer, der zeigt, wie man es richtig macht. Ich dagegen werde für immer auf B-x im Ministerium vegetieren."
Soweit die Theorie, die manchmal so grau ist wie die dazugehörigen Theoretiker.
Selbständig in der Unterhaltungsbranche ist dann nochmals einen Zacken interessanter. Das hat einen Hauch von Glamour und Casting-Couch.
Die eigentliche Krux der Selbständigkeit zeigt sich im systembedingten Widerspruch zwischen beamtenorganisiertem Staatsapparat, Regelungsdschungel und freiem Unternehmergeist.
Hinzu kommen die täglichen Abenteuer, wie z.B. Preisbildung. Das alleine wäre schon Thema für abendfüllendes Kabarett: Teuer ist unverschämt, billig ist verdächtig, kostenlos geht gar nicht, weil es nichts taugen kann.
Gerne kommen auch Kommentare, wie: "Sie machen das doch gerne - warum kostet es dann Geld?"
Hier zeigt sich unser anti-hedonistischer Gesellschaftsanspruch: Geld verdienen darf man nur mit Tätigkeiten, die keinen Spaß machen.
Oder aufbauende Zurufe wie" Hauptsache, du bist glücklich - Geld ist nicht alles".
Der Vermieter freut sich, wenn auf der Überweisung steht: "Bin glücklich mit dem was ich mache - ist das nicht schon die halbe Miete?"
Dem Finanzamt zu erklären, dass man als Selbständige unregelmäßige Einkünfte hat, ist in etwa so erfolgreich wie zu Zeiten Galileos der Inquisition zu erklären, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Das tut sie doch, oder?

Allen meinen bisherigen und zukünftigen Geschäftspartnern, ehemaligen und heutigen Kollegen, Politikern, die ich kennen lernen durfte, Politikern, die ich kennen lernen musste und überhaupt allen Leserinnen und Lesern an dieser Stelle ein herzlicher Gruß und die besten Wünsche für das bevorstehende Weihnachtsfest! P.S. Falls Sie noch Unterhaltung für Ihr Weihnachtsfest etc. brauchen, Sie finden mich unter dem Button KONTAKT! :-)

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