Nicht allein unter Pinien oder warum das Angebot den Markt bestimmt
Wenn Gesundheitsministerin Schmidt oder ihre Amtsvorgänger oder auch ihr Amtsnachfolger Philipp Rössler auch nur den Hauch eines Krümels einer Ahnung hätten, was ihre diversen Gesundheitsreformen anrichten - sie würden nur noch mit schamroten Gesicht und gesenkten Häuptern durch Berlin eilen in der Hoffnung, von niemanden erkannt zu werden.
Damit diese Hoffnung erfüllt wird, bekommt man jetzt schon kaum eine Brille mehr verordnet. Das ist ebenso perfide wie schlau - wer den Weg zur Demo nicht findet kann nicht demonstrieren. Wenn Philipp Rössler zudem ankündigt, das Solidarprinzip in der Krankenkasse durch Kopfpauschalen auszuhebeln mag sich nur der wundern, der die Wahlprogramme nicht gelesen hat. Damit sind wieder die entschuldigt, die keine Brille verschrieben bekommen haben, oder sich die Zuzahlung nicht leisten können. Die sind dann natürlich im FDP-Sinn auch keine Leistungsträger der Gesellschaft. Da können Westerwelle und Co. nur hoffen, dass diese Elendsgestalten nächstens auch nicht mehr den Weg in die Wahlkabine finden werden. Doch auch bevor die Sekretärin die gleiche Summe in die Krankenkasse einzahlt wie ihr Chef kann man Ungleichheit erleben. Wen Sie also Lust auf einen Horrortrip haben, den kein Schocker im Kino auch nur annähernd das Wasser reichen kann, dann stellen Sie einen Kurantrag.
Es gibt in Deutschland unzählige Kurorte, die früher mit dem "Morgens Fango - abends Tango" - Prinzip gut Geld verdient haben und ihre Leute gut ernährten, in dem sie ihre Kurgäste einer strengen Diät unterzogen.
Die Zeiten sind vorbei. Keine Kapelle spielt im Park und die Wetterlage ist zu düster um einen Kurschatten zu werfen
Wer heutzutage eine Kur beantragt und das nicht als Beamter oder ansonsten wertvolles Mitglied der Gesellschaft tut der muss damit rechnen, dass ihm der Rentenversicherungsträger mitteilt, dass er leider nicht zu den erhaltenswerten Mitgliedern der Gesellschaft zählt.
"Komm wieder wenn du tot bist" das ist die Devise unseres Gesundheitswesens - oder auch nicht mehr, weil das Sterbegeld ja abgeschafft wurde.
Es gibt halt nichts Akutes es sei denn man tut es.
Wer sich die Prophylaxe aufs Banner geschrieben hat wird gezwungen, andere Wege zu gehen, und die führen in diesem Fall nicht nach Rom sondern nach Polen.
Das ist beinahe dasselbe, war doch der letzte Pontifex Karol Wojtyla ein gebürtiger Pole und Polen damit so gut wie Rom ist.
In Deutschlands Kurorten eine Kur privat zu bezahlen erfordert, dass man zuvor eine Bank überfällt - besser wären zwei.
Wenn man also nicht den Rest seiner Tage in einer Zelle fristen möchte, schaut man lieber unter Kururlaub in Polen und landet dann zwangsläufig in Kolberg an der polnischen Ostseeküste.
Dort waren die Deutschen schon häufiger aber erst heutzutage in rein friedlicher Absicht, deshalb nehmen die Bewohner die Anwesenheit der umstrittenen Nachbarn eher gelassen.
Es ist aber auch ein Unterschied, ob man mit Panzern oder mit Frotteetüchern über die Grenze kommt.
Also. Eine unglaublich billige Kur gebucht und ab ging es in ein "Pensionat".
Pensionat heißen kleine Hotels, die weniger auf das Wohlbefinden der Gäste achten als vielmehr auf reibungslose interne Abläufe.
Da wird um 17.00 Uhr zu Abend gegessen, damit die Köchin pünktlich um 18.00 Uhr Zuhause ihre polnische Lieblingssoap schauen kann.
Für die abwesenden Gäste gab es eine Untersuchung bei einem winzigen Arzt, der auf den schönen Namen Sylvester hörte, Blutdruck maß und unabhängig vom Gebrechen zur stets gleichen Therapie kam. Moorpackung, Elektrobehandlung und Massage.
Das hing auch damit zusammen, dass das die einzigen Therapien waren, die im Haus angeboren wurden - manchmal bestimmt das Angebot halt wirklich die Nachfrage.
Wer mehr wollte oder gar auf Wasserbehandlungen und Sauna erpicht war der musste nur in die nahe gelegenen Hotels gehen - dort gab es das alles.
In Kolberg blüht die Schönheits- und Wellnessindustrie - kein Wunder dass es dort auch einen Kurschatten gab. Die wissen halt, was zum Wohlsein des Menschen gehört. Da kam Bewegung in die aus Berlin angereiste ergraute Schicksalsgemeinschaft.
Der Blutdruck stieg bei manchen so sehr, dass Sylvester noch mal hätte nachmessen müssen - aber der war nur montags da.
Immerhin - bei uns ist Sylvester nur einmal im Jahr.