Der lange Marsch durch die Institutionen oder sag es mit Bauchgefühl

Angela Merkel hat bei ihrer Vereidigung nicht die Hand zum Schwur gehoben. Über die Gründe wurde viel spekuliert. Fühlte sie sich nach den harten Koalitionsverhandlungen zu schwach, gar gelähmt? Oder wollte sie für die Truppe einfach nicht die Hand ins Feuer legen? Vielleicht hat sie ja auch hinter ihrem Rücken abgeschworen.

Als Frank Walter Steinmeier auf der Oppositionsbank Platz genommen hat soll sie ihm sehnsüchtige Blicke zugeworfen haben. Vielleicht hat sie ihm sogar einen kleinen Zettel zukommen lassen, auf dem so etwas stand, wie "Frank, ich kann dich noch sehen! Oder: Mein linker linker Platz ist leer, da wünsche ich den Frank mir her??â??Â?"

Nein da sitzt jetzt Guido Westerwelle, der sich bei seiner Ernennung vor lauter Freude über seinen tollern Posten schier nass gemacht hat. Da wird er nun immer sitzen, wenn er nicht gerade seinen Englischkurs besucht. Er hat jetzt seinen ersten alleinigen Auftritt in Polen - das kann ganz schön haarig werden, da Polen ein ausgesprochen homophobes Land ist. Er sollte also nicht wie weiland Volker Beck versuchen, an einer Christopher Street Day Parade teil zunehmen. Das wird ihm aber nicht schwer fallen. Er hatte es ja eher nicht so mit dem Outing und sich früher so oft mit der attraktiven Silvana Koch-Mehrin gezeigt, dass manche Spekulationen ihn als Vater ihrer Kinder sahen. Schließlich hat man ihren Mann - ähnlich wie Joachim Sauer - auch nie in der ??â??ffentlichkeit gesehen.

Das ist überhaupt so ein Ding, das hätten Hannelore Kohl oder Doris Schröder-Köpf erst einmal bringen sollen - bei der Vereidigung Ihrer Männer zum Kanzler nicht im Plenarsaal auf der Ehrentribüne zu sitzen. Emanzipation  findet halt auch heute noch nur für Frauen statt - Männer zieht es beim Erfolg ihrer Frauen nach wie vor in die Schmollhöhle.

Diesmal hat es Angela Merkel aber auch nicht mehr für nötig gefunden, ihren Joachim von ihrer Wahl zur Kanzlerin per SMS zu unterrichten - es reicht ja auch, wenn er das bei den nächsten Wagner-Festspielen in Bayreuth oder aus der Zeitung erfährt.

Wolfgang Schäuble ist als zukünftiger Finanzminister auf der Regierungsbank nur ein par Stühle weiter weg gerutscht. Er ist zwar nicht so humorvoll wie Peer Steinbrück, hat sich aber für das Finanzressort qualifiziert. Niemand sonst hat so viele Erfahrungen mit schwarzen Kassen wie er.

Er konnte sich früher schon nicht erinnern, wo manche Spenden an die CDU herkamen oder wo sie hingingen. Auf diese große Fähigkeit baut jetzt auch Angela Merkel, um den Staatshaushalt auf mysteriösen Wegen zu sanieren, da die normalen nicht mehr funktionieren. 
Den Umgang mit Bankern konnte Schäuble zudem im Kampf gegen den Terrorismus erproben.

Franz Josef Jung wechselt auch das Ressort. Nach den Pannen in Afghanistan hätte jedermann erwartet, dass er gar nicht mehr im Kabinett vertreten sein würde. Aber weit gefehlt! Angela Merkel hatte - aus Proporzgründen - nur die Wahl zwischen ihm oder Roland Koch. Dass Jung da das kleinere Übel ist leuchtet vermutlich jedermann ein.

Roland Koch hat auch Erfahrungen mit versteckten Kassen. Bei  ihm hat es aber nur gereicht, um den ein oder anderen hessischen Wahlkamp dezent überzufinanzieren. Da ist Schäuble einfach besser. Deshalb bleibt also Jung in Berlin. Dass er künftig für Arbeit und Soziales zuständig ist macht aber Sinn. Es gibt ein Geheimpapier im Kanzleramt, wonach alle Hartz-IV-Empfänger nach Afghanistan geschickt werden sollen.

Philip Rösler ist die vielleicht überraschendste Personalie im  Kabinett: jung, Arzt, aus Niedersachsen und Bauchredner. Er ist kein Mitglied des Bundestages, was aber von Vorteil sein kann, da ihn seine Fraktion dann nicht so unter Druck setzen kann. Ulla Schmidt hat bei ihrem Abschied so bitterlich geweint, weil ihr klar wurde, wie schön Ihr Leben hätte sein könne, wenn sie wie er nur Ministerin gewesen wäre.

Werner Müller hat es weiland als Wirtschaftsminister vorgemacht. Er sah immer aus als ob er gut schlafen würde und konnte sich aus dem Ministeramt einen interessanten Managementposten sichern ohne dass die Fraktion aufgeschrieen hätte.
Philip Rösler ist Augenarzt. "Meine Güte!" schrie es da aus allen politischen Lagern - ein Mann vom Fach? Wie konnte denn das nur geschehen?

Normalerweise werden Posten nach Proporz besetzt. Das heißt, aus welchem Bundesland die Kandidaten kommen, welchem politischen Flügel ihrer Partei sie angehören und unter welchem Sternzeichen sie geboren sind. Aber Qualifikation? Wo kämen wir denn da hin? Aber Philip Rösler wurde nicht berufen weil er Arzt ist, sondern weil er die Kunst des Bauchredens beherrscht. Er wird in seiner Zeit als Gesundheitsminister nämlich Dinge sagen müssen, die ihm als Arzt nicht über die Lippen kämen.

Dirk Niebel wird Entwicklungshilfeminister. Das ist besonders pikant, da er dieses Ressort abschaffen wollte. Das ist logisch, da der FDP nichts weniger nahe steht als andern zu helfen. Die sozialpolitische Maxime ist genauso einfach wie einleuchtend: "Wenn jeder an sich selber denkt ist an alle gedacht."

Nun wird er selber Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Effizienter hätte er den Untergang dieses Ressorts nicht organisieren können.

Da hat sich die FDP einmal ein Beispiel an den Spontis der 68er genommen, die mit dem langen Marsch durch die Institutionen die Gesellschaft verändern bzw. die Institutionen  abschaffen wollten. Das ist Gerhard Schröder sogar mit der SPD gelungen - da kann ein so kleines Ministerium ja nicht so schwer sein.

 


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