Rück- und andere Tritte oder warum antreten sollte wer auch abtreten kann
Der März hatte es in sich. Vielleicht lag es ja an den außergewöhnlich kalten Temperaturen, dass keiner sich bewegen wollte – jedenfalls nicht aus dem Amt heraus.
Oder es wurde gegangen, ohne dass dafür ein Grund ersichtlich war. Das hatten wir schon einmal, als Oskar Lafontaine sein Amt als Superminister, Parteivorsitzender und Bundestagsabgeordneter gleichzeitig hinschmiss, während Gregor Gysi sein Amt als Wirtschaftssenator in Berlin aufgab, ohne dass dafür ein erkennbarer Grund bestanden hätte, es sei denn, er hätte erwartet, in seinem Amt häufiger Kneipen zu besuchen.
Stattdessen musste er trockene Vorgänge bearbeiten, was er als Jurist gewöhnt sein sollte – aber ein Berufswechsel wie in die Politik beinhaltet ja auch andere Erwartungen. Wenn die dann nicht erfüllt werden, sondern alles zum Alten zurückkehrt – da kann man schon einmal einen offenen Schnürsenkel zum Anlass nehmen, zurück zu treten.
Bei Oskar Lafontaine war es weiland die Erkenntnis; dass Gerhard Schröder partout nicht unter ihm Kanzler sein wollte und er international wegen seiner finanzpolitischen Vorstellungen belächelt bis offen verlacht wurde, wobei wir heute zu der Erkenntnis gelangen, dass die heutige Krise damals durchaus treffend vorausgesagt wurde:
Aber es gibt für alles eben einen richtigen und einen falschen Zeitpunkt.
Der Schleswig-Holsteinische Wirtschaftsminister ist nun ähnlich wie damals Gregor Gysi ohne erkennbaren Grund zurückgetreten. Vielleicht wollte er nur einmal seinen Namen in der Zeitung lesen – den ich – offen gestanden – schon wieder vergessen habe.
Manche Politiker bleiben halt auch im Rücktritt blass.
Ganz anders Jörg Tauss, der ehemalige Medienexperte der SPD-Bundestagsfraktion – der hat sich gewehrt bis zum Schluss. Der Verdacht der Kinderpornographie wiegt schwer – auch wenn er völlig unbegründet sein sollte ist er nie wieder abzuwaschen.
Das ist ähnlich wie bei der Frage: „Haben Sie eigentlich aufgehört, Ihre Frau zu schlagen?“ Die kann man auch beantworten wie man will – man steht immer als gewalttätiges Schwein da.
Jörg Tauss hat mindestens schwerwiegende Fehler gemacht. Wer ihn kennt weiß, dass er nicht immer zwischen Legislative und Judikative unterscheidet. Was er getan hat war gefährlich – ohne die Absicherung durch die Polizei hat er sich dem Verdacht der Kinderpornographie selbst ausgesetzt. Allerdings war schon vor Monaten in der Zeitung zu lesen, dass er nicht wieder antreten wolle – da war von diesem Skandal noch gar keine Rede.
Seine Stimmverweigerung bei Abhörmaßnahmen, seine Konflikte mit der Bundestagsfraktion, mit Ministerien und der Landtagsfraktion, der er als Landesgeschäftsführer ein Dorn im Auge war, legen den Verdacht nahe, dass er Opfer einer Intrige wurde. Die Waffen dafür hat er aber seinen Feinden höchstpersönlich in die Hände gelegt.
Regelrecht aus dem Amt gehoben werden musste auch Hartmut Mehdorn. Zu viele Auffälligkeiten und eine zu wurschtige Haltung sehr ernsten Vorwürfen gegenüber haben seine Haltung in den Überwachungsskandalen der Bahn unglaubwürdig erscheinen lassen. Er blickt ähnlich wie Klaus Zumwinkel auf eine bemerkenswerte Managerkarriere zurück – ähnlich wie Klaus Zumwinkel hat Mehdorn irgendwann anscheinend vergessen, dass Erfolg nicht immun macht - nicht immun gegen das Steuergesetz oder die Gesetze zum Datenschutz.
Mehrdorn sollte bis zur Bundestagswahl bleiben – so hätte es die SPD gerne gesehen, da er ihr Mann war. Deswegen hat man ihn auch länger gewähren lassen als es unter anderen Umständen geschehen wäre.
Mehdorn hat die beste Bahnbilanz aller Zeiten vorgelegt – das ist im Rücktrittsgewitter komplett untergegangen. Das ist schade, denn ein gewinnbringender Bahnbetrieb ist für alle gut.
Nun wird Rüdiger Grube das Steuer der Bahn übernehmen - der ist im Vorstand von Daimler und Ausichtsratschef beim Flugzeugbauer EADS. Das ist so als ob man den Fuchs bittet, ein Sanierungskonzept für den Hühnerstall auszuarbeiten. Schon Mehdorn hatte sich von der Lufthansa beim Tarifsystem beraten lassen - die hatte damals die Gunst der Stunde genutzt, um das größte Pfund der Bahn - das kurzfristige Reisen - einzustampfen. Probieren Sie es: Buchen Sie eine Fahrkarte am Fahrtag und Sie werden Ihre Omi umbringen müssen, um deren kleins Häuschen zu erben damit Sie die Fahrkarte bezahlen können. Da ist Fliegen oft billiger - voilá!
Fazit: Hätte Mehdorn besser aufgepasst, hätte Grube bei Daimler bleiben können und müsste jetzt nicht überlegen, wie er Mensch und Gut von der Schiene zurück auf die Straße bringt.
Und wäre ich mit so einem reichen Manager verheiratet, der mich auf Händen trägt und mir alle Wünsche von den Augen abliest, hätte ich vermutlich nicht das krankhafte Bedürfnis, besserwisserische Kommentare zu schreiben.
Aber so ist das halt mit den Konjunktiven - sie sind für die Träume zuständig und für die verpassten Chancen.