In der Hotelburg am Ostseestrand oder gibt es einen Gipfel ohne Berg?

Angela Merkel weiß was sie tut. Das unterscheidet sie prinzipiell von einigen ihrer Amtsvorgänger, die häufiger von Hormonen denn von Gedanken gesteuert zu sein schienen.

Angela Merkel hat es seit Beginn ihrer politischen Laufbahn immer wieder verstanden, ihre Kontrahenten in geschickten Manövern gegeneinander auszuspielen. Gut, das geht bisweilen auf Kosten ihrer Kraftressourcen, die sie ja eigentlich besser zum Lösen von Problemen einsetzten sollte, aber das hat noch kein Politiker wirklich gerne getan.
Sie macht im Ausland „bella figura“ und hatte vor allem mit Jacques Chirac ein so inniges Verhältnis, dass man nach seinem Rückzug annehmen darf, dass die eine oder andere Träne ins Kanzlerinnenkissen geweint worden sein dürfte.
Aber hier soll ja nicht dem dummen Männerdenken das Wort geredet werden, dass Frauen zu emotional seien. Das ist Frau Merkel sicherlich nicht, aber wo wahre Sympathie mitschwingt, menschelt es halt auch.

Beim G-8-Gipfel konnte man den Teilnehmern nur wünschen, dass sich alle sehr sympathisch waren, denn aus dem Weg gehen war in dieser Hotelburg nicht drin – und das ist wörtlich zu nehmen, denn draußen gab es ja in dem Sinne nicht.
Da gab es auch keine heimlichen Strandspaziergänge, jedenfalls nicht ohne Grosseinsatz von Hundertschaften, tieffliegenden Aufklärungsflugzeugen und  in Alarmbereitschaft versetzen U-Booten. Das konnte einen ruhigen Spaziergang echt vermiesen!
Wer also von Politikseite den Versuch wagen sollte, seine Extremitäten in die Ostsee zu stecken, hat eine böse Überraschung erlebt.  Da schauten mehr Augen aus dem Wasser heraus als hinein.
Aber da hat die Gipfel-Regie ganze Arbeit geleistet und die anwesenden Spitzenpolitiker in ein Terminkorsett gesteckt, dass maximal ein Händewaschen zwischen den Sitzungen erlaubt hat.

Da kam nur der entspannt raus, der gelernt hat, alle Körperfunktionen zu kontrollieren. Georg W. Bush kann auch das nicht, wie jetzt aus den Medien zu erfahren war. Er musste sich am letzten Tag wegen Unwohlseins entschuldigen - jemand hatte ihm wohl heimlich eine Anti-G-8-Gipfel-Brezel untergeschoben.

Wahrscheinlich ist Angela Merkel heimliches Mitglied bei Attac. Heiner Geissler ist diesen Weg ja vorgegangen und macht dabei eine deutlich glaubwürdigere Figur als Oscar Lafontaine bei der WASG – was aber auch nicht schwer ist.
Nun kann man gegen die Globalisierung sein, man kann auch gegen Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter sein.
Wenn sich tausende gut meinender Demonstranten und die paar hundert nicht gut meinender Idioten in Heiligendamm getroffen haben, wird es denen hinter dem Stacheldraht genauso gegangen sein wie denen davor.
Egal was sie machen, es wird sich an der Lage der Ärmsten in der Welt nichts ändern.
Politik ist eben nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.

Abgesehen davon, dass die Demonstrationen bei dem Gipfel selber viel zu spät kommen, weil die Gipfel-Entscheidungen  ja schon lange vorher vorbereitet wurden, werden sich auch manche Politiker hinter dem Zaun gefragt haben, was sie eigentlich wirklich tun könnten, um die Not in den armen Ländern zu mildern.
Autos von Nachbarn abzufackeln fülltin den armen Regionen Afrikas jedenfalls keinem Kind die Essensschüssel.

Aber Angela Merkel ging in ihrer Regie psychologisch geschickt vor. Dass sie nun schon zum zweiten Mal Heiligendamm als idealen Ort für ein so hochkarätiges Treffen auswählte beweist dieses Geschick.
Die Politiker und ihrer Mitarbeiter werden sich auch diesmal gefühlt haben wie afrikanische Flüchtlinge an Spaniens Stränden. Sie werden sich gefühlt haben wie weiland in der DDR – nur halt wie in einer ganz kleinen DDR mit Luxussuiten und extrem guter Versorgung - bis auf Attac-Brezel natürlich.

Nicht wegzudürfen ist eine geschickte sublime Nachricht, die bei vielen Gästen einen tieferen Eindruck hinterlassen haben dürfte als alle Dossiers und Resolutionen zusammen.

Und da – das muss man unserer Kanzlerin lassen – weiß sie einfach, wie sie mit ihren männlichen Kollegen umzugehen hat: „learning by feeling!“

Vielleicht ist Angela Merkel ja wirklich heimlich Mitglied bei Attac?

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