Liebe Leserinnen und Leser,
der November ist der undankbarste Monat im Jahr – ihm fehlt der Farbenglamour des Oktobers genauso wie der Weihnachts- und Sylvesterglanz des Dezembers. Deshalb sterben im November auch die meisten Menschen – vermutlich aus Langeweile. Als schlecht reputierter Monat macht der November oft einen wütenden Eindruck, wie ihn das monatliche Gedicht beschreibt.
Im November wird aber nicht nur gestorben sondern auch geboren. Die Menschen, die im November geboren werden, sind meist dem Sternzeichen Skorpion angehörig – das sagt ja schon alles. Wenn Sie einem Menschen begegnen, der sich nicht für Horoskope interessiert, dann ist das ein Skorpion – garantiert. Ich kann das aber auch verstehen, weil die Skorpione im Horoskop das sind, was zu Königs Zeiten am Hof der Prügelknabe war – einfach die Ärsche, an denen sich die Horoskopschreiber abarbeiten.
Der November bringt oft das schlimmste in uns zum Vorschein – die Hessen haben es bewiesen. Die Viererbande um Jürgen Walter und Dagmar Metzger hat Andrea Ypsilanti einen Tag vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin ein für allemal politisch zerstört. Damit wird eine der talentiertesten Nachwuchspolitikerinnen ins Abseits geschoben. Ihre Karriere ist beendet – aber was noch viel schlimmer ist – Roland Koch kann seine schon gepackten Kisten in der Staatskanzlei wieder auspacken.
Man muss nicht Hesse sein, um an soviel illoyalem Schwachsinn zu verzweifeln. Die Konsequenzen zu ziehen und alle Ämter zur Verfügung zu stellen ist Jürgen Walter dann wohl nicht mehr allzu schwer gefallen – schließlich hätte er sich zukünftig im Hessischen Landtag nur noch mit dem Rücken an der Wand lang bewegen können. Es geht das Gerücht, das die Stromindustrie ihm und wenigstens zwei seiner Mitstreiterinnen den Dolchstoß mit anschließenden Abgang versüßt hätte. Einzig Dagmar Metzger, die früh ihr „Nein“ verkündete scheint in diesem Spiel moralisch integer. Sie behält ihr Mandat. Eine rot-grüne Regierung mit Tolerierung durch die politisch komplett unerfahrene hessische „Linke“ wäre sicherlich keine belastbare Konstruktion geworden.
Es ist aber der politischen Verklemmtheit Andrea Ypislantis zu schulden, dass sie sich von Kurt Beck auf eine verfrühte Festlegung der Koalitionen drängen ließ. Wie zutiefst undemokratisch es ist, vor Wahlen bestimmte Koalitionen auszuschließen. scheint den wenigsten einzuleuchten. Wenn man die demokratische Legitimation einer Partei bezweifelt, muss man versuchen, sie von den zuständigen Institutionen verbieten zu lassen.
Wie schwierig so etwas ist, hat allerdings der blamable Versuch von Otto Schily gezeigt, die NPD verbieten zu wollen. Das Verfahren zeigte damals vor allem, dass die Partei mit so vielen V-Leuten durchsetzt war, dass nicht mehr auszumachen war, wer echt und wer under cover unterwegs war oder ob die under cover Agenten möglicherweise echtere Rechtsextreme waren als die Leute, die sie infiltrieren und beobachten sollten. Wenn es schon nicht gelingt, einen bekennenden Demokratiefeind wie Udo Voigt aus dem Bundeswehrverband auszuschließen, stellen sich mir als Nichtgediente Lebensberaterin viele Fragen.
Kürzlich im überfüllten Zug erzählte ich einem mitreisenden Fahrgast von meiner Arbeit als politisch-satirischer Kommentatorin und würzte dies mit einem Witz über deutsche Soldaten, die in Afghanistan vor zwei Jahren mit Menschenschädeln posierten, woraufhin in deutschen Bürgerstuben der Verdacht aufkeimte, dass Krieg möglicherweise zur Verrohung führen könnte. Mein Kommentar im Zug: „Díe sind nicht verroht – die haben dort nur den Hamlet geprobt.“ Zwei Minuten später forderte ein steingesichtiger Unteroffizier meinen Sitzplatz (BahnComfort – die 100er Bahncard hatte ich leider nicht, aber im Unterschied zu dem Herren meine Fahrkarte selber bezahlt). So ist das Leben mit unseren liebenswürdigen Staatsbürgern in Uniform. Die Herren gegenüber und rechts von mir ließ er unbehelligt – er mochte wohl kein Kabarett.
Aber alles hat auch sein Gutes: Der erschöpfte Soldat hatte ein Erfolgserlebnis zum Wochenende und in Hessen zeigen sich neue Perspektiven: Dort wird die CDU bei den bevorstehenden Neuwahlen ihren gesamten Wahlkampfetat zuzüglich der dort ja üblichen Sondermittel aus „jüdischen Vermächtnissen“ der SPD übereignen. Sinn macht das, denn einen stärkeren Wahlhelfer hat die CDU in Hessen nicht,
bedauert Ihre Helene Mierscheid
Wenn man zu lange keinen frischen Wind herein lässt, schimmelt die Bude –davon handelt der November-Haushaltstipp.
Der Kommentar ist natürlich dem nächsten Präsidenten der USA gewidmet: Senator Barack Obama!